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Verbesserung der niedergelassenen Versorgung – Bilanz der Sozialversicherung 2024


Die Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Claudia Neumayer-Stickler, und der stellvertretende Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger, Peter McDonald informierten am 23. April 2025 bei einer Pressekonferenz über Verbesserungen beim Ausbau der niedergelassenen Versorgung. Die Zahl der Primärversorgungseinheiten (PVEs) ist 2024 stark gewachsen und zeigt eine anhaltend hohe Dynamik. Auch die Zahl der Ärztinnen und Ärzte im Kassenbereich ist wieder gestiegen. Der Kampf gegen den „ÄrztInnenmangel“ im öffentlichen Gesundheitswesen zeigt somit erste Erfolge.

Die Sozialversicherung wird bei der ersten Sitzung der Bundeszielsteuerungskommission im heurigen Jahr und unter neuer Bundesregierung Rechenschaft über die Ergebnisse des Ausbaus der niedergelassenen und ambulanten Versorgung im abgelaufenen Jahr 2024 legen. Die drei Krankenversicherungsträger ÖGK, SVS und BVAEB haben alle Angebotsverbesserungen dokumentiert und in einem „Journal“ gemäß den Bestimmungen des Bundes-Zielsteuerungsvertrags zusammengefasst.

Die strategischen Ziele für den quantitativen und qualitativen Ausbau der ambulanten Versorgung im Kassenbereich wurden wie folgt festgelegt:

  • Schwerpunktsetzung bei Primärversorgung und Kindermedizin;
  • Gezielte Entlastung des Spitalsbereiches;
  • Servicequalität für Patientinnen und Patienten verbessern: Längere Öffnungszeiten, Wochenend- und Feiertagsversorgung;
  • Auffächerung der Organisationsformen des ärztlichen Angebotes in der Sachleistungsversorgung, um nicht nur den unterschiedlichen Präferenzstrukturen der Patienten, sondern auch der Ärzteschaft möglichst gerecht zu werden;
  • Stärkung integrierter Angebote durch kooperative Einbeziehung nichtärztlicher Gesundheitsberufe.


2024 konnten bereits merkliche Fortschritte erzielt werden, die sich wie folgt darstellen: 

1. Ausbau der Primärversorgungseinheiten (PVEs)

Es wurden 41 neue PVEs gegründet. 7 PVEs wurden mit zusätzlichen Ärztinnen und Ärzten erweitert. Insgesamt konnte mit Ende 2024 die Gesamtzahl an PVEs von 56 auf 97 erhöht werden, was einer Erweiterung um über 70 % entspricht.
Das Leistungsangebot der PVEs zeichnet sich nicht nur durch längere Öffnungszeiten und kürzere Wartezeiten aus, sondern vor allem durch die Zusammenarbeit mit weiteren Gesundheits- und Sozialberufen. Das Angebot wird dadurch breiter und die Lösungskompetenz verschiedener Problemlagen deutlich größer.
2024 konnte im Speziellen der Bereich Wundmanagement und klinische Pharmazie in einigen PVEs verankert werden. Durch klinische Pharmazie soll ein gezielter, wirksamer, sicherer und wirtschaftlicher Einsatz von Arzneimitteln sichergestellt werden.
In der genannten Zahl sind auch die neuen PVE-Angebote in der Kinder- und Jugendheilkunde enthalten.
Nach anfänglichen Anlaufschwierigkeiten ist diese neue ärztliche Angebotsform nun stark nachgefragt. 

2. Ausbau von Einzelordinationen und Gruppenpraxen

Im Jahr 2024 wurden 34 neue Einzelordinationen eröffnet und 7 bestehende Gruppenpraxen konnten erweitert werden. Insgesamt entstanden dadurch 39 neue Kassenstellen, davon 6 in der Allgemeinmedizin und die restlichen im Bereich der Fachärztinnen und Fachärzte.
Die meisten neuen Facharztstellen entfielen auf die Fachrichtungen Neurologie, Augenheilkunde sowie (Kinder- und Jugend-)Psychiatrie. 

3. Ausbau der Angebote für Kinder und Jugendliche

Entsprechend des Plans der Sozialversicherung zur Stärkung der Angebote für Kinder wurde 2024 ein besonderer Schwerpunkt auf den Ausbau der Angebote in der Kinderheilkunde und im Besonderen auf die Angebote in der Kinder- und Jugendpsychiatrie gelegt. In diesem Bereich gibt es einen ungedeckten Bedarf.

Durch verstärkten Ausbau bei gleichzeitig relativer demographischer Entspannung – die Zahl der Kinder unter 10 Jahren wird bis 2030 um rund 2 Prozent abnehmen – kann die Versorgungssituation in den nächsten Jahren aktuell effektiv verbessert werden. 

  • Kinder- und Jugendheilkunde:

Von den bereits erwähnten neu gegründeten Primärversorgungseinheiten (PVEs) wurden 8 speziell als Kinder-PVEs eingerichtet. Diese Einrichtungen konzentrieren sich ausschließlich auf die gesundheitliche Versorgung von Kindern und konnten gegründet werden, nachdem im Jahr 2023 ein entsprechendes Gesetz zur Einrichtung kinderärztlicher PVEs beschlossen wurde. Zusätzlich entstanden eine neue Einzelordination sowie eine neu gegründete Gruppenpraxis.

Um die Angebotspalette auch bezüglich der Organisationsformen zu verbreitern, wurde ein neues Kinderambulatorium unter Vertrag genommen. Durch die Etablierung von jeweils einer „Portalambulanz“ (eine der Klink vorgelagerte Ambulanz zur Feststellung, ob Kinder überhaupt in die Klinik müssen; dient der Entlastung der Krankenhaus-Ambulanz) vor dem St. Anna Kinderspital in Wien und einer vorgeschalteten Ambulanz beim LKH Graz kann das PatientInnenaufkommen in der hochspezialisierten Versorgung im Spital nach medizinischen Kriterien geordnet und gesteuert werden. Beide Ambulanzen werden in Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Bundesland etabliert.

Stellenweise qualitative Verbesserungen wurden beispielsweise durch Wochenend- und Feiertagsöffnungszeiten in Wien, die Einrichtung eines mobilen Teams für Kinder mit Diabetes in der Steiermark oder die Einrichtung einer Lehrpraxis für Kinderheilkunde erreicht.

  • Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP):

Die Kinder- und Jugendpsychiatrie ist seit Jahren ein „Mangelfach“. Entsprechend schwer ist die Rekrutierung von Fachärztinnen und Fachärzten dieses Sonderfachs für den ambulanten kassenfinanzierten Sektor. Umso erfreulicher ist es, dass 2024 fünf neue Einzelordinationen für KJP unter Vertrag genommen werden konnten.

Für Kinder mit Entwicklungsstörungen ist oftmals neben der ärztlichen Leistung von Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern eine Reihe weiterer Behandlungen etwa aus der Ergo-, Logo- und Physiotherapie oder der klinisch psychologischen Diagnostik erforderlich. In multidisziplinären Ambulatorien kann dieser Mix an Leistungen integriert und nach einem entsprechenden Betreuungskonzept angeboten werden.

Im Vorjahr konnten 5 solcher Ambulatorien neu unter Vertrag genommen werden.

Zur Versorgungsverbesserung wurden zudem mit 2 neue Tageszentren für KJP Vertragsbeziehungen aufgenommen.

Innovativ und erstmals mit einem Vertragsmodell ausgestattet sind 5 sogenannte mobile „Home-Treatment Teams“ für KJP, die eine aufsuchende Betreuung und Behandlung ermöglichen.

4. Ambulatorien

Neben den 6 neuen Ambulatorien im erwähnten Bereich der Kinderversorgung wurden mit 20 weiteren selbstständigen Ambulatorien Verträge abgeschlossen. Die häufigsten Fachrichtungen waren Nuklearmedizin, Endoskopie, Gynäkologie oder Allergiologie. 

5. Ausbau des Angebotes an funktionellen Therapien (Physio-, Ergo- und Logopädie)

Physio-, Ergo- und Logopädie erbringen Leistungen, die der ärztlichen Hilfe im sozialversicherungsrechtlichen Sinn gleichgestellt sind. Diese sogenannten funktionellen Therapien konnten deutlich ausgeweitet werden, was insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Nachfrage nach therapeutischen Behandlungen von hoher Relevanz ist.
Konkret wurden 30,5 neue Stellen für Physiotherapie, 11,5 neue Stellen für Ergotherapie und 4 neue Stellen für Logopädie geschaffen und besetzt. 

6. Qualitative Verbesserungen: Beispiele

Es wurden 2024 nicht nur quantitative Erweiterungen in der Angebotsstruktur vorgenommen, sondern auch zahlreiche Erweiterungen des Leistungsspektrums in bestehenden Einrichtungen.

Beispiele dafür sind etwa das Coronar-CT, eine nicht-invasive Untersuchungsmethode des Herzens oder die Prostata-MRT-Untersuchung, die eine schmerzfreie Untersuchung ohne Strahlenbelastung darstellt. Weitere Pilotprojekte sind die Teledermatologie, die eine effizientere Behandlung und Versorgung von Patientinnen und Patienten mit Hauterkrankungen ermöglicht, und das Zentrum für sexuelle Gesundheit in Wien als zentrale Anlaufstelle zur ambulanten Versorgung (und damit Entlastung der Spitäler) von Menschen mit sexuell übertragbaren Krankheiten. 

 

Claudia Neumayer-Stickler, Vorsitzende der Konferenz der SozialversicherungsträgerClaudia Neumayer-Stickler, Vorsitzende der Konferenz der Sozialversicherungsträger:

„Wir stehen derzeit vor vielfältigen Herausforderungen im Gesundheitswesen – vom Mangel an Fachpersonal bis hin zu einer zunehmenden Nachfrage nach medizinischen Leistungen. Um diesem wachsenden Bedarf gerecht zu werden, gilt es, den niedergelassenen Bereich sowohl qualitativ als auch quantitativ durch den Ausbau neuer Versorgungsangebote nachhaltig zu stärken. Im vergangenen Jahr ist es gelungen, das Spektrum an kassenfinanzierten Leistungen deutlich zu erweitern: Die Einrichtung von 41 neuen Primärversorgungseinheiten und die Etablierung von 39 zusätzlichen Kassenstellen zeigen, dass der eingeschlagene Weg erste Erfolge zeigt und die Angebote der Sozialversicherung auch in den ÄrztInnenschaft wieder an Attraktivität gewinnen.“

 

Peter McDonald, stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der SozialversicherungsträgerPeter McDonald, stellvertretender Vorsitzender der Konferenz der Sozialversicherungsträger:

„Die neuen Kooperationsformen und Kassenstellen, die wir 2024 geschaffen haben, sind wichtige Bausteine, um die Spitäler zu entlasten, Wartezeiten für die Patientinnen und Patienten zu reduzieren und den kostenlosen, hochqualitativen Zugang zu Gesundheitsversorgung im Bedarfsfall abzusichern. Über diese punktuellen Maßnahmen hinaus wird es aber noch weitere strukturelle Überlegungen brauchen. Nur so können wir unser Gesundheitssystem weiterentwickeln und seine Leistungsfähigkeit auch in Zukunft sicherstellen. Wir müssen es uns im gesamten Gesundheitssystem noch stärker zur Aufgabe machen, Patientenströme nachhaltig zu lenken. Dafür wird es wesentlich sein, dass wir einen stärkeren Fokus auf Telemedizin und -konsultation legen, um bestehende Angebote für Versicherte besser sicht- und erreichbar zu machen, zum Beispiel durch ein zentrales Terminservicesystem.“​

Factbox 1

Ausbau der Primärversorgungseinheiten (PVE) 2024

  • 41 neue PVEs und 7 PVE-Erweiterungen
  • davon 8 neue Kinder-PVEs
  • Gesamtzahl der PVEs von 56 auf 97 erhöht (+73%)
  • längere Öffnungszeiten und kürzere Wartezeiten
  • Leistungen durch weitere Gesundheits- und Sozialberufe
  • Neue Leistungen Wundmanagement und klinische Pharmazie


Ausbau von Einzelordinationen und Gruppenpraxen 2024

  • 34 neue Einzelordinationen
  • Erweiterung von 7 Gruppenpraxen um 5,3 Stellen
  • davon 6 in der Allgemeinmedizin und
  • 33,3 Stellen im Bereich der Fachärztinnen und Fachärzte
  • Fachrichtungen mit den meisten neuen Stellen: Neurologie, Augenheilkunde und (Kinder- und Jugend-) Psychiatrie.


Neue Ambulatorien 2024

  • 6 neue Ambulatorien in der Kinderversorgung
  • 20 weitere neue selbständige Ambulatorien: Nuklearmedizin, Schnittbilddiagnostik, Endoskopie, Gynäkologie oder Allergiologie, etc.


Ausbau des Angebotes an funktionellen Therapien 2024

(Physio-, Ergo- und Logopädie)

  • 30,5 neue Stellen für Physiotherapie
  • 11,5 neue Stellen für Ergotherapie
  • 4 neue Stellen für Logopädie



Factbox 2

Ausbau der Angebote für Kinder und Jugendliche 2024

Kinder- und Jugendheilkunde:

  • 8 neue Kinder-PVEs
  • 2 neue Ordinationen, eine davon als Gruppenpraxis
  • 1 neues Kinderambulatorium
  • 2 neue „Portalambulanzen“ vor Spitälern in Wien und Graz
  • Punktuelle qualitative Verbesserungen: Wochenend- und Feiertags-Öffnungszeiten in Wien, Einrichtung eines mobilen Teams für Kinder mit Diabetes in der Steiermark; Einrichtung einer Lehrpraxis für Kinderheilkunde


Kinder- und Jugendpsychiatrie (KJP):

  • 5 neue multidisziplinäre Ambulatorien für Kinder- und Jugendpsychiatrie
  • 5 neue Einzelordinationen für KJP
  • 2 neue Tageszentren für KJP
  • 5 Home-Treatment Teams für KJP​
Zuletzt aktualisiert am 24. April 2025