Studie des BMGF und des HVB: Ausgaben von 750 Mio. Euro im Jahr 2012 - Anteil an den öffentlichen Gesundheitsausgaben 3,1 statt 1,9 Prozent
8. Juli 2016
Österreichs Gesundheitssystem wird von der Bevölkerung in Umfragen ein ausgezeichnetes Leistungsniveau bescheinigt. Gesundheitsexperten aber auch der Rechnungshof äußern jedoch mit Hinweis auf Statistiken der OECD zum Thema „Öffentliche Gesundheitsausgaben, massive Kritik am Umstand, dass der Anteil der Ausgaben für Prävention und Gesundheitsschutz nur 1,9 Prozent beträgt. Im Schnitt der OECD-Länder liegt dieser Wert bei 3,4 Prozent – also um rund 44 Prozent höher.
Eine Studie im Auftrag des Bundesministerium für Gesundheit und des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger entkräftet diese Kritik nun weitgehend. An Hand der öffentlichen Gesundheitsausgaben in Österreich des Jahres 2012 wurde berechnet, dass der Anteil für Gesundheitsförderung und Prävention tatsächlich bei 3,1 Prozent liegt und damit nur geringfügig unter dem OECD-Schnitt. Österreich, so wird in der Studie festgestellt, schneidet bei der Berechnung der Ausgaben für Prävention und Gesundheitsförderung aufgrund der Berechnungsmethode der OECD, dem „System of Health Accounts“, im internationalen Vergleich benachteiligt ab.
Die tatsächliche Höhe der Ausgaben für Gesundheitsförderung und Prävention berechneten die Studienautoren auf Basis einer erstmaligen und umfangreichen Erhebung aller Aufwendungen des Bundes inkl. Fonds Gesundes Österreich, der Bundesländer, der Gemeinden und der Sozialversicherung. Exklusive der sogenannten Tertiärprävention – dies umfasst die Ausgaben für Kuren und Rehabilitation – wurde für das Jahr 2012 eine Summe von rund 750 Mio. Euro errechnet. Pro Kopf der Bevölkerung sind dies rund 89 Euro.
Führend bei diesen Ausgaben ist die Sozialversicherung. Für sie errechneten die Studienautoren 543,6 Mio. Euro oder 72,5 Prozent aller Aufwendungen. Pro Kopf der Bevölkerung sind dies 64,5 Euro. Auf den Bund entfallen 119 Mio. Euro oder 15,9 Prozent, die Bundesländer 69,4 Mio. Euro oder 9,3 Prozent und die Gemeinden 17,5 Mio. Euro. oder 2,3 Prozent.
Zu den ausgabenstärksten Positionen, die die Studienautoren erhoben haben, zählten insgesamt die Vorsorgeuntersuchungen mit 91,2 Mio. Euro, die Zahngesundheit mit 83,5 Mio. Euro, der Mutter-Kind-Pass mit 56,5 Mio. Euro, die Prävention von Arbeitsunfällen und berufsbedingten Erkrankungen sowie das kostenfreie Kinderimpfprogramm..
Rechnet man die Ausgaben für Kuren und Rehabilitation (= Tertiärprävention), die zum überwiegenden Teil von der Sozialversicherung getragen werden, sprengten die Ausgaben für Gesundheitsförderung und Prävention bereits im Jahr 2012 die 2-Mrd-Euro-Grenze. Pro Kopf der Bevölkerung bedeutet dies dann einen Aufwand von 240 Euro und der Anteil der Sozialversicherung an diesem Aufwand steigt von 72,5 Prozent auf 87,1 Prozent.
Folgende Schwerpunkte konnte die Studie bei der Erhebung der Ausgaben feststellen:
- Im Bereich der Gesundheitsförderung wurden für die Steigerung der Gesundheitskompetenz 13,3 Mio. Euro, für Schulaktivitäten 8,3 Mio. und die Gesunde Gemeinde 8,2 Mio. aufgewendet;
- In der Primärprävention entfielen 166,8 Mio. Euro auf den Bereich Gesunde Lebensweise und Unfallprävention sowie die Suchterkrankungen 7 Mio. Euro;
- Schwerpunkte in der Sekundarprävention bildeten die Vorsorgeuntersuchung mit 91,2 Mio. Euro, der Mutter-Kind-Pass mit 55,5 Mio. Euro und die Aufwendungen für die Schulärzte mit 24,4 Mio. Euro.
- Im niedergelassenen Bereich wurden präventive Leistungen mit einem Aufwand von 261,9 Mio. Euro erbracht.
„Österreich darf keinesfalls, wie es internationale Statistiken nahe legen, als ein ‚Entwicklungsland‘ im Bereich der Gesundheitsförderung und Prävention eingestuft werden. Das zeigen die Daten der Studie ganz klar“, betont Mag. Ulrike Rabmer-Koller, Vorstandsvorsitzende des Hauptverbands. Erfreulich sei auch die führende Stellung der Sozialversicherung in diesem Bereich. Sie bestreitet mit ihren Programmen und Einrichtungen immerhin fast drei Viertel aller Ausgaben für Gesundheitsförderung und Prävention. Das gelte auch für den Umstand, dass die Studie eine Trendwende weg vom kurativen Fokus feststellen konnte. Denn im Zeitraum zwischen den Jahren 2001 und 2012 konnten die Ausgaben für Prävention mit einem Plus von 96,2 Prozent beinahe verdoppelt werden, während die gesamten öffentlichen Gesundheitsausgaben im gleichen Zeitraum um 59,4 Prozent wuchsen
„Eine veränderte, zielgerichtete statistische Zuordnung von öffentlichen Gesundheitsausgaben im Rahmen der Studie verbessert aber lediglich die internationale Positionierung Österreichs, ändert aber nichts am Umstand, dass gerade im Bereich Gesundheitsförderung und Prävention in Österreich noch wesentlich mehr getan werden muss und auch hier vorhandene Mittel effizienter eingesetzt werden müssen“, so Rabmer-Koller weiter. Anzusetzen sei hier vor allem mit Programmen für Kinder und Jugendlichen sowie bei der Verbesserung der Gesundheitskompetenz. Die gesunde Wahl muss die einfachere werden. Denn seitens der Sozialversicherung gebe es hier eine Vielzahl von Angeboten und Programmen für Gesundheitsförderung und Prävention, die nur in Anspruch genommen werden müssten, so Rabmer-Koller.
Das Abrücken vom kurativen Fokus des Gesundheitssystems wird in den kommenden Jahren weitergehen. Mit den in Österreich im Jahre 2012 verabschiedeten Gesundheitszielen sowie der Gesundheitsreform 2012 und der vereinbarten Zielsteuerung-Gesundheit greift die österreichische Gesundheitspolitik wesentliche, im Rahmen des vorliegenden Systemvergleichs identifizierte Problemfelder auf. So erweitern die Gesundheitsziele konzeptionell den bisher fast ausschließlich auf den kurativen Bereich gelegten Fokus des österreichischen Gesundheitssystems durch Berücksichtigung gesundheitsrelevanter Aspekte in allen Politikfeldern (Health in all Policies), um die gesunden Lebensjahre in den nächsten 20 Jahren zu erhöhen.
„Die aktuellen Studienergebnisse bestätigen unsere Anstrengungen der letzten Jahre, Gesundheitsförderung und Prävention kontinuierlich zu stärken. Denn eine gesundheitsorientierte Politik darf nicht erst auf das Kranksein reagieren sondern muss die Gesundheit der Bevölkerung auch erhalten und fördern. Unser Gesundheitssystem ist noch immer stark kurativ ausgerichtet und bedarf einer Neuorientierung. Es geht darum, den Blick von Krankheit auf Gesundheit zu richten. Von einer gesünderen Bevölkerung profitieren letztlich auch viele andere Politikbereiche, vom Bildungssektor bis zur Wirtschaft“, hält Doz. Dr. Pamela Rendi-Wagner, Sektionsleiterin im Gesundheitsministerium, fest. Seit 2011 leitet sie den bundesweiten Prozess der Gesundheitsziele und arbeitet hier mit mehr als 40 PartnerInnen aus unterschiedlichen Politikfeldern eng zusammen.
Im Rahmen der Umsetzung der Gesundheitsziele und der Kinder- und Jugendgesundheitsstrategie treibt das Gesundheitsministerium unter anderem den Ausbau von Frühen Hilfen zügig voran. Auch das kostenfreie Kinderimpfprogramm und der Mutter-Kind-Pass stellen wichtige Maßnahmen dar. Prävention in der frühen Kindheit ist besonders effizient, da sie sich auch langfristig positiv auf die Gesundheit auswirkt. „Ich sehe hier eine Chance, gemeinsam mit allen Partnern der Gesundheitsreform, den Sozialversicherungen als auch mit den Bundesländern, die strategische und zielgerichtete Ausrichtung der Prävention und Gesundheitsförderung weiterhin zu stärken. Denn nur gemeinsam können wir auch eine nachhaltige Wirkung erzielen“, so Rendi-Wagner.
Das Konzept der Zielsteuerung-Gesundheit stellt den verantwortlichen gesundheitspolitischen Stakeholdern ein taugliches Werkzeug zur Verfügung, das eine effektive Bewältigung der wesentlichen Herausforderungen der österreichischen Gesundheitspolitik ermöglicht.
Als weitere Maßnahme wurde im Gesundheits-Zielsteuerungsgesetz 2013 fixiert, dass zur Stärkung der Gesundheitsförderung in allen Landesgesundheitsfonds eigene „Gesundheitsförderungsfonds“ eingerichtet werden. Dieses sind für die Jahre 2013 bis 2022 mit insgesamt 150 Mio. Euro – davon 130 Mio. Euro von der Sozialversicherung – dotiert. Zumindest die Hälfte der Mittel der Jahre 2013 bis 2016 ist verbindlich für die im Rahmen der Gesundheitsförderungsstrategie vorrangigen Schwerpunkte einzusetzen.
Diese sind:
- Bundesweite Ausrollung der Initiative „Frühe Hilfen“
- Gesunde Kinderkrippe und Gesunde Kindergärten
- Gesunde Schulen
- Gesunde Lebenswelten und gesunde Lebensstile von Jugendlichen und Menschen im erwerbsfähigen Alter
- Gesundheitskompetenz von Jugendlichen und Menschen im erwerbsfähigen Alter und älteren Menschen
- Soziale Teilhabe und psychosoziale Gesundheit von älteren Menschen.
Der Bericht „Öffentliche Ausgaben für Gesundheitsförderung und Prävention in Österreich 2012“ steht auf der Website des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen unter www.bmgf.gv.at und unter www.hauptverband.at zum Download zur Verfügung.
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger ist das organisatorische Dach über der solidarischen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Österreichs. Die Sozialversicherung garantiert unabhängig von Alter, Einkommen, sozialer Herkunft und Bildung hochwertige Gesundheitsversorgung und eine sichere Pensionsvorsorge. Aktuell sind rund 8,5 Millionen Menschen anspruchsberechtigt (Versicherte und mitversicherte Angehörige).