Für die Auswahl im vielfältigen Angebot moderner Wundverbandsmaterialien wurde in Medline und in der Cochrane Database for Systematic Reviews recherchiert. Aufgrund der zahlreichen Suchergebnisse wurde primär auf Reviews eingeschränkt, sowie inhaltlich auf die Behandlung von chronischen Wunden. Nach Durchsicht aller verfügbaren Abstracts, deren Ergebnisse sehr einheitlich ausfallen, wurden nur die frei verfügbaren Reviews im Volltext gelesen (sie sind im Text mit „F“ gekennzeichnet). Eine Grobgliederung erfolgte nach Cochrane Reviews, Reviews aus Europa und andere Reviews.
Zusammenfassung Cochrane:
Obwohl Wundverbände mit Silber bei der Behandlung des diabetischen Fußulcus weit verbreitet angewandt werden, existieren keine randomisierten klinischen Studien oder kontrollierte klinische Studien, die deren klinische Effektivität evaluieren. (Bergin 2006). Die Evidenz für die beste Auswahl des Verbandsmaterials ist insuffizient wegen der kleinen Studien geringer Qualität (Nelson 2007, Vermeulen 2004). Schaumverbände sind am besten evaluiert als Alternative zu Gaze und scheinen hinsichtlich Schmerzreduktion, Patientenzufriedenheit und Pflegeaufwandszeit überlegen zu sein. (Vermeulen 2004). Derzeit existiert wenig gute Evidenz, um den Einsatz silberhaltiger Verbandsmaterialien bei kolonialisierten und infizierten Wunden zu unterstützen (Vermeulen 2007). Die Art des Verbandsmaterials, das unter dem Kompressionsverband benutzt wird, zeigt keinen Effekt auf die Ulcus-Heilung. Für den Großteil der Wundverbände existieren insuffiziente Daten. (Palfreyman 2006).
Zusammenfassung Reviews aus Europa:
Die wichtigste Behandlung venöser Ulcera ist Kompression, entweder mit Bandagen oder Strümpfen. Verbandsmaterialien, die darunter das Exsudat kontrollieren und auffangen, sollen nicht kleben und komfortabel sein. Eine große Zahl verschiedener Verbandsmaterialien steht zur Verfügung, aber die Evidenz für die Beurteilung ihres Nutzens ist dürftig (Palfreyman 2007).
Hydrokolloide sind nicht effektiver als einfache nicht klebende Verbände (acht Studien; relative risk für Heilung mit Hydrokolloid 1.02, 95% confidence interval 0.83 bis 1.28). Für andere Vergleiche war die Evidenz zu gering, um Aussagen zu treffen, keine der Studien zeigte den Vorteil einer bestimmten Art von Verbandmaterial über ein anderes in den Ulcus-Heilungsraten. Über die Kosteneffektivität können keine Aussagen getroffen werden. (Palfreyman 2007b).
Die Evidenz für die Effektivität von silberhältigen Verbandsmaterialien ist – beurteilt nach den Kriterien der Cochrane Collaboration – lückenhaft, aber es bestehen gute Indikationen für den Gebrauch dieser Materialien zur Reduktion der Infektionsgefahr bei Brandwunden und offenen Wunden in Sekundärheilung, oder als Barriere gegen Infektionen mit resistenten Keimen wie MRSA (Leaper 2006).
Silber ist ein Breitspektrum antimikrobielles Material, durch Einarbeitung von Silberionen in Alginate Fasern können hoch absorbierende Alginate Wundverbände mit antibakterieller Wirkung hergestellt werden. Laborstudien haben gute Ergebnisse dahingehend gezeigt (Qin 2005).
Es gibt keine Unterschiede zwischen den schützenden Bestandteilen und unterschiedlichen Barrieremethoden, die für die Umgebungshaut verwendet werden. Verglichen mit keiner Behandlung oder Placebo hat das Flüssigkeitsfilm erzeugende Acrylat einen signifikanten Einfluss auf die Unversehrtheit der Umgebungshaut, sowie zusätzliche Vorteile hinsichtlich Schmerzreduktion, Patientenkomfort und Reduzierung der Pflegezeit (Schuren 2005).
Moderne Wundverbände beinhalten aktivierte Kohle, Alginate, Hyaluronsäure, Hydrofaser, Hydrogel, Hydrokolloide, imprägnierte Gaze, Kollagen, Feuchthaltemethoden, proteolytische Enzyme, Schaum(stoffe), semipermeable Membranen und Silber. Aufgrund der fehlenden Vergleichsstudien ist die phasenadaptierte Nutzung moderner Wundverbände nur auf Erfahrung basierend. (Dissemond 2005).
Derzeit können nur drei Empfehlungen basierend auf zwei oder mehr prospektiven RCTs gegeben werden: einen Verband zu wählen, der eine feuchte Wundathmosphäre erhält, das Infektionsrisiko durch entsprechende Händehygiene, Wunddesinfektion und Verbandhygiene zu reduzieren und eine zusätzliche systemische Antibiotikatherapie bei Patienten mit Gangrän, Sepsis oder Osteomyelitis. Für andere Behandlungsoptionen wie lokale Vakuumanwendung, Madentherapie, elektromagnetische Behandlung, therapeutischen Ultraschall oder Wachstumsfaktoren sind die derzeitigen Daten nicht ausreichend, um eine Empfehlung bei der Behandlung von Druckgeschwüren zu unterstützen. (Pullen 2004).
Zusammenfassung Reviews international excl. Europa:
Es besteht nur insuffiziente Evidenz für die klinische Effektivität moderner Verbandsmaterialien, mit Ausnahme von Evidenz für Hydrokolloidverbände. Es gibt keinen Nachweis für die Überlegenheit eines der modernen Verbandsstoffe über einen anderen oder über Salin-Gaze oder Paraffin-Gaze hinsichtlich genereller Erfolgskriterien. Mehr Level A Evidenz wäre wünschenswert (Chaby 2007).
Studien an Menschen über nanokristallines Silber sind rar (Fong 2006).
Die Anwendung von Honig im Wundmanagement (bei Neugeborenen und Kindern) ist interessant, die Evidenz dafür gering. Kleine nicht randomisierte Studien dominieren die Studienlage. Honig scheint sicher und nützlich bei schwierig zu behandelnden Wunden zu sein (Bell 2007).
Die Evidenz zum Effekt von silberbasierten Verbänden und anderen lokalen Anwendungen bei der Heilung von Beingeschwüren ist inkonsistent, bei generell niedriger statistischer Power der Studien, schlechtem Studiendesign oder unvollständiger Darstellung der Resultate. Zusammenfassend wird die Evidenz für silberhaltige Verbandsmaterialien bei Beingeschwüren als begrenzt beschrieben und der Bedarf an guten Studien unterstrichen, bevor die Anwendung empfohlen werden kann (Chambers 2007).
Präklinische und klinische Studien weisen darauf hin, dass (a) antibakterielle Wirkung von Silber bestehen kann, (b) Silberabsonderung vom benutzten Testmedium abhängig ist, (c) die Unterschiede der bakteriziden Aktivität eine Funktion der benutzten Bakterienstämme ist, (d) eher höhere als niedrigere Silberkonzentrationen notwendig sind, da Silber Proteine und Kernsäuren bindet, (e) rasche Abgabe von Silber ein positiver Faktor sein kann hinsichtlich Vermeidung von Silberresistenz und Biofilmentstehung, und (f) basierend auf in vivo Studien, Silber keine unerwünschten Effekte auf lebende Zellen hat, also nicht zytotoxisch ist (Brett 2006).
Es besteht insuffiziente Evidenz zum Effekt auf die Wundheilung chronischer Ulcera durch bestimmte Formen der Wundverbände (Bouza 2005).
Die Odds ratio für Hydrokolloid im Vergleich zu konventionellen Gazeverbänden betrug 1,72 für Komplettheilung, klinisch und statistisch signifikant (Singh 2004).
Derzeit sind zahlreiche Wundpflegeprodukte für chronische diabetische Fußulcera am Markt. Eine nützliche Guideline für die Auswahl des am besten geeigneten Verbandsmaterials ist „nass auf trockene Wunden, trocken auf feuchte Wunden“. Diese einfache Aussage bezieht sich auf die Menge des Wundexsudats und führt zu einer feuchten Wundfläche ohne Austrocknung oder Mazeration (Dinh 2006).
Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die meisten Ulcera mit traditionellen relativ einfachen Behandlungen der Entlastung, Abdeckung, Antibiotikagabe bei Infektion und Revaskularisation heilen. Neue und teurere Therapien sollten als additiv gesehen werden und nicht als Ersatz für traditionelle Anwendungen. Ihr Einsatz soll nur dann in Erwägung gezogen werden, wenn andere Therapiemethoden erfolglos bleiben (Eldor 2004).
Generell kommen sämtliche inkludierten Reviews zu einem sehr einheitlichen Ergebnis, nämlich dass
- Verbandsmaterialien im Vergleich zueinander keine unterschiedlichen Effektivitäten zeigen
- Die Anwendung von silberhaltigen Verbandsmaterialien mit insuffizienter Evidenz unterlegt ist
- Moderne Verbandsmaterialien unterschiedliche Inhaltsstoffe verwenden, die Evidenz zur Effektivität jedoch insuffizient ist
- Verbandstoffe grundsätzlich nicht kleben sollen, ein adäquates Feuchthalten der Wunden empfehlenswert ist