Motivation und Ziele
Verschiedene internationale Studien zeigen, dass eine hohe Kontinuität der Versorgung mit für PatientInnen günstigen Outcomes assoziiert ist, wie z.B. niedrigeren Sterberaten, niedrigeren Hospitalisierungsraten oder geringerer Nutzung von Notfalleinrichtungen. In dem im Juli 2014 abgeschlossenen Projekt „Patientenströme – Methodenentwicklung und Beschreibung der Versorgungsrealität an exemplarischen Beispielen1“ wurde für niederösterreichische Diabetes Mellitus (DM) PatientInnen im Vergleich zu untersuchten DM‐Populationen in anderen Ländern eine hohe Kontinuität der Versorgung ermittelt. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sollte nun untersucht werden, ob für niederösterreichische DMPatientInnen (1) ein Zusammenhang zwischen der Kontinuität der Versorgung und dem Geschlecht, Alter, sozio‐ökonomischen Status und Wohnort der PatientInnen erkennbar ist, (2) welche Unterschiede zwischen der Kontinuität der Versorgung bei Primärversorgern, Spezialisten und Krankenanstalten erkennbar sind, sowie (3) ob ein Zusammenhang zwischen der Kontinuität der Versorgung und den Outcomes „Belagstage im Krankenhaus“, „Tod“, sowie „Major Adverse Cardiac and Cerebrovascular Event“ (MACCE) erkennbar ist.
Methoden
Die Kontinuität wurde auf Basis der Metrik „Continuity of Care Index“ (COCI) berechnet, welche die Verteilung bzw. Konzentration der Kontakte einer PatientIn auf deren Gesundheitsdienstanbieter auf einer Skala von 0 (maximale Verteilung) bis 1 (maximale Konzentration) ausdrückt. Als Datengrundlage wurden die in der Datenbank GAP‐DRG2 vorhandenen Leistungsdaten von Versicherten der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) der Jahre 2008 bis 2011 herangezogen. Die Identifikation der DM‐PatientInnen erfolgte über krankheitsspezifische Medikamente, die an die PatientInnen abgegeben wurden. Die Fragestellungen wurden auf Basis eines Kohortenstudien‐Designs analysiert. In Fragestellung (1) und (2) wurde ein statischer Studienaufbau gewählt, bei dem nach einer zweijährigen Recruitment‐Phase in der die Ein‐ und Ausschlusskriterien geprüft wurden, eine einjährige Harvesting‐Phase folgte in welcher der COCI gemessen wurde. In Fragestellung (3) wurde ein dynamischer Studienaufbau gewählt, bei dem jede PatientIn individuell zum Zeitpunkt ihrer ersten Rezepteinlösung eines DMspezifischen Rezepts innerhalb des Studienzeitraums rekrutiert wurde. Danach folgte eine einjährige Harvesting‐Phase in welcher der COCI gemessen wurde und im Anschluss die Time at Risk Phase, während der die Outcome‐Variablen verfolgt wurden. In Fragestellungen (1) und (2) wurden lineare gemischte Modelle verwendet um den Zusammenhang zwischen der Kontinuität der Versorgung und den verschiedenen Faktoren wie Alter, Geschlecht oder Fachgruppe zu untersuchen. Für die Analyse der Outcomes in Fragestellung (3) wurden Negativ‐Binomial‐Modelle (für die Belagstage) bzw. Cox‐Modelle (für das Überleben und für das Auftreten eines MACCE) angewandt.
Schlussfolgerung
Die vorliegende Arbeit ergab für DM‐PatientInnen in Niederösterreich im Vergleich zu internationalen Studien eine höhere Kontinuität der Versorgung. Gleichzeitig deuten die vorliegenden Ergebnisse aber darauf hin, dass für das untersuchte Kollektiv eine höhere Kontinuität der Versorgung ein höheres Risiko eines für die PatientIn ungünstigen Outcomes mit sich brachte. Wir kommen damit im Vergleich zu mehreren Vorarbeiten, die vorteilhafte klinische Auswirkungen der Kontinuität der Versorgung aufzeigten, zu einem gegenteiligen Ergebnis. Eine potentielle Ursache dieser divergierenden Ergebnisse könnte das im Vergleich zu den Vorarbeiten unterschiedliche Design bezüglich der Beobachtungszeiträume sein. Die untersuchten Vorarbeiten maßen fast ausschließlich die Kontinuität der Versorgung und die verschiedenen Outcome‐Parameter im selben Zeitraum, während in der vorliegenden Arbeit eine strikte Trennung zwischen der Messung der Kontinuität der Versorgung und der Beobachtung von Outcomes vollzogen wurde, um durch die Vergleichbarkeit dieses Designs mit prospektiven Studien kausale Schlüsse zu ermöglichen und Schlussfehler, die durch zeitliche Vermengung der Berechnung der Kontinuität der Versorgung und der Outcomes entstehen könnten, zu vermeiden. Weiterführende Arbeiten zu einer detaillierten Analyse der Hintergründe der divergierenden Ergebnisse scheinen jedenfalls angezeigt.