21. November 2016
Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und der Gemeindebund präsentieren Umfrage zu Thema Gesundheitsversorgung in den Gemeinden
In einer umfangreichen Befragung im Auftrag des Hauptverbands der österreichischen Sozialversicherungsträger wurden die Bedürfnisse der heimischen Gemeinden bei der medizinischen Versorgung abgefragt. „Rund 1.500 Kommunen haben sich daran beteiligt“, sagt Hauptverband-Chefin Ulrike Rabmer-Koller. „Das ist ein Beleg dafür, wie wichtig den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern dieses Thema ist und wie weit oben es auf ihrer politischen Agenda steht.“ Die Befragung wurde online über das Intranet-Portal www.kommunalnet.at durchgeführt.
Grundsätzlich ist die Zufriedenheit mit dem österreichischen Gesundheitssystem hoch. 87,4 Prozent der Gemeindevertreter glauben, dass die Bevölkerung „sehr zufrieden“ oder „eher zufrieden“ mit der medizinischen Versorgung ist. „Auffällig dabei ist allerdings, dass die Zufriedenheit sinkt, je kleiner die Gemeinde ist“, so Helmut Mödlhammer, Präsident des Gemeindebundes. Der überwiegende Anteil der Gemeinden verfügt über einen oder mehrere Hausärzte im Gemeindegebiet. „ Im Großen und Ganzen kann man deutlich feststellen, dass die Bürgermeister der Meinung sind, dass das Gesundheitswesen funktioniert. Allerdings, gibt es Verbesserungsbedarf. Diese Einschätzung ist ein Ruf nach Primärversorgung als zusätzliches Angebot im niedergelassenen Bereich“, sagt Mödlhammer. „Es häufen sich die Fälle, in denen offene Kassenstellen mehrfach ausgeschrieben werden müssen und sich oftmals kein einziger Bewerber dafür findet. Für die Gemeinden ist das eine schwierige Situation, die rasch und langfristig gelöst werden muss.“
„Für die Sozialversicherung ist die Weiterentwicklung der niedergelassenen Gesundheitsversorgung eine zentrale Herausforderung. Noch sind so viele Ärzt/innen wie noch nie in Österreich tätig. 2015 praktizierten laut BMG 44.000 Ärzte, davon 14.275 Allgemeinmediziner. Doch diese Situation wird sich stark verändern, denn ein Großteil der Ärzte kommt ins Pensionsalter. Bis 2020 werden knapp ein Drittel, bis 2030 drei Viertel der Allgemeinmediziner 65 Jahre oder älter sein“, so Rabmer-Koller.
Es gebe einen großen Bedarf an „Nachfolgern“. „Deshalb müssen wir das bestehende Hausarztsystem weiterentwickeln und neue Versorgungs- und Kooperationsformen schaffen“, so die Hauptverbandsvorsitzende. „Wir müssen die neuen Lebenswelten der Patienten genauso wie die der jungen Mediziner/innen berücksichtigen, in denen auch die Vereinbarkeit mit der Familie und mehr work-life-balance wichtig sind. Viele von ihnen wollen nicht mehr als Einzelkämpfer eine Ordination führen und daher verstärkt mit anderen Gesundheitsberufen kooperieren“, so Rabmer-Koller. Gerade an den Tagesrandzeiten und am Wochenende wünschen sich die Menschen mehr Angebote. Auch das zeigt eine Umfrage des Hauptverbandes, wo die am häufigst genannten Themen Öffnungszeiten, bessere Vernetzung und mehr Zeit fürs Patientengespräch genannt werden.
Für Rabmer-Koller ist die Gangrichtung klar:
- Das bestehende Hausarztsystem muss attraktiv bleiben – durch eine Reform der Honorarordnung und eine Verbesserung der Ausbildung. Hier haben wir mit dem neuen Lehrpraxen-System ein verbessertes Angebot.
- Der Aufbau von Primärversorgungseinheiten soll eine Ergänzung der Einzelpraxis sein. Damit schaffen wir mehr Versorgungsangebote, längere Öffnungszeiten und attraktive Arbeitsmodelle für Ärzt/innen.
- Neue eHealth-Anwendungen sind der direkte Draht ins Gesundheitssystem. Mit „Meine SV“ und „TEWEB“, der telefonischen und online-basierten Hilfestellung, ergibt sich eine deutliche Entlastung des Systems und mehr Service an Tagesrandzeiten und am Wochenende.
Primärversorgungseinheiten seien eine wichtige Ergänzung zum bestehenden Hausarzt-System. „Es geht dabei nicht darum, eine Konkurrenz für die Hausärzte zu schaffen, das Ziel ist eine Weiterentwicklung des Systems und ein Ausbau der Versorgung.“ Primärversorgung bedeute auch nicht zwingend den Aufbau von Zentren. Gerade im ländlichen Bereich gehe es vor allem um die Vernetzung von Mediziner/innen und Gesundheitsberufen.
Für den Ausbau der Primärversorgung seien mit dem Finanzausgleich rund 200 Mio. Euro vorgesehen. Positiv dabei ist die Bereitschaft der Länder, sich ebenso wie die SV finanziell daran zu beteiligen. „Damit sollte es gelingen, in diesem Bereich relevante Fortschritte zu machen“, sagt Rabmer-Koller. 60 Prozent der befragten Gemeinden können sich eine solche Einheit in ihrer Gemeinde gut vorstellen. Für Gemeindebund-Chef Helmut Mödlhammer sind Primärversorgungseinheiten demnach eine sinnvolle Erweiterung des Angebotes: „Am Interesse der Kommunen mangelt es also sicher nicht“, so Mödlhammer. „Wir sind neuen Lösungen und weiterführenden medizinischen Angeboten gegenüber sehr aufgeschlossen.“ Hausärzte seien somit weiterhin das Rückgrat der Versorgung. „80 Prozent aller Gesundheitsprobleme können vom Hausarzt behandelt werden, diese Form der Versorgung ist auch ausdrücklicher Wunsch der Menschen“, so Mödlhammer.