Massageanwendungen werden u.a. bei Patienten mit unspezifischen Rückenschmerzen, unspezifischen Nackenschmerzen, unspezifischen chronischen (muskuloskeletalen) Schmerzen, Kopfschmerzen, sowie bei Fibromyalgiesyndrom (FMS) eingesetzt.
Für Rückenschmerzen werden in Leitlinien Inzidenzen von bis zu 30% pro Jahr und Lebenszeit-Prävalenzen der Bevölkerung von bis zu 80%, bzw. 1-Jahres Inzidenzen zwischen 6,3% und 15,3% und Wiederauftreten mit 24-33%, bzw. eine Prävalenz von 44% bzw. 39% für Personen zwischen 50 und 59 Jahren und Punktprävalenz von 34% angegeben.
Ein Wiederauftreten der Rückenschmerzen wird bei 24-33% der Patienten beschrieben.,
Chronische Nackenschmerzen betreffen etwa 10% der Männer und rund 17% der Frauen, mit einer Punktprävalenz von etwa 10-15%.
Für chronische Schmerzen ohne Körperregionszuordnung gibt es keine Angaben zur Epidemiologie. Für chronische Schmerzen bei Älteren (65+) existieren Prävalenzangaben zwischen 0 und 93%.Die Lebenszeitprävalenz für Kopfschmerz liegt bei 90%.
Die Punktprävalenz des FMS liegt bei ca. 3,5%.
Die Diagnostik erfolgt bei all diesen Indikationen über die Anamnese/ Symptomatik, eine körperliche Untersuchung zum Ausschluss von “red flags” (gravierende andere Krankheiten) und “yellow flags” (Risiko der Chronifizierung) und Dokumentation des funktionellen Status, der Lebensqualität/Beeinträchtigung und der Schmerzintensität.
Zur weiterführenden Diagnostik und Abklärung von “red flags” kann Bildgebung und Labordiagnostik eingesetzt werden.
Üblicherweise werden medikamentöse Therapieschemata für die kurzfristige oder chronische Schmerzbesserung eingesetzt, sowie Bewegung, teilweise manuelle Therapie/ Mobilisation und Patientenschulung zum Selbstmanagement empfohlen. Passive Modalitäten werden als Zusatzoption genannt, psychologische Interventionen bei entsprechender Indikation/Komorbidität angeboten.
Interventionen
In dieser Arbeit liegt der Fokus auf Massageformen der Schwedischen (klassischen) Massage und der Triggerpunktmassage.
Bindegewebsmassage, Energiearbeit und andere komplementäre Maßnahmen wurden nicht inkludiert.
Unter Bewegung verstehen wir alle aktiven Therapieformen zu Beweglichkeit, Muskeltraining (Kraft und Ausdauer) und Gleichgewichtsübungen.
Bewegung soll Funktionsdefizite beseitigen oder reduzieren.
Die klassische Schwedische Massage soll entspannen und Wohlbefinden erzeugen.
Die Triggerpunktmassage soll gezielt Muskelverspannungen lösen.
International wird Massage als komplementäre/ alternative Therapie geführt. National wie international wird Massage vom Gesundheitssystem/ Sozialversicherungen nur auf ärztliche Anordnung übernommen und erstattet.
Methodik
Es wurde nach Guidelines in den Datenbanken von G-I-N, SIGN direkt und von AWMF nach Guidelines, in der Cochrane Database for Systematic Reviews nach Übersichtsarbeiten und für ein Update in Pubmed nach kontrollierten Studien gesucht.
Insgesamt wurden 20 Leitlinien, 4 Übersichtsarbeiten und 4 kontrollierte Studien zur Fragebeantwortung verwendet. Studien, die bereits in den Übersichtsarbeiten inkludiert waren, wurden exkludiert, um Duplikationen zu vermeiden. Studien, die in mehr als einer Übersichtsarbeit verwendet wurden, wurden dokumentiert und dargestellt.
Ergebnisse
Zur Indikation Rückenschmerzen wurden neun Leitlinien und ein Cochrane Review inkludiert. Von diesen zehn Arbeiten empfehlen acht die Massage in Kombination mit Bewegung, eine Leitlinie sieht Massage bei Bandscheibenvorfall mit radikulärer Symptomatik nicht mit wissenschaftlichen Nachweisen belegt, und die Cochrane Übersichtsarbeit beschreibt eine positive Wirkung von Massage. Zusätzlich wurden zwei RCTs inkludiert, die Massage mit Bewegung versus nur Bewegung und Massage mit Bewegung versus nur Massage evaluiert haben. Der Vergleich von Bewegungsprogrammen mit oder ohne Massage zeigt keine Unterschiede in den Endpunkten Schmerz, Beeinträchtigung, Lebensqualität und Arbeitsfähigkeit. Der Vergleich Massage mit Bewegung versus nur Massage zeigt einen Vorteil für Massage mit Bewegung bei Schmerz und Funktionsbesserung.
Zur Indikation chronische Schmerzen wurde eine Übersichtsarbeit aus Kanada inkludiert, die elf evidenz-basierte Leitlinien evaluiert. Diese elf Leitlinien beinhalten Empfehlungen zum Einsatz von Interventionen der physikalischen Therapie bei der Behandlung von chronischen, nicht-Karzinom-assoziierten Schmerzen. Generell unterstützen die Guidelines die Interventionen Bewegung, Manualtherapie, Akupunktur, Massage und Yoga. Zur Frequenz oder Dauer dieser Behandlungen fehlt die Evidenz. Empfehlungen zum Einsatz von Massage bei chronischen Schmerzen finden sich in sechs dieser Guidelines.
Die Suche nach RCTs zur Indikation chronische Schmerzen mit direktem Vergleich zwischen Massage und (...) lieferte kein Ergebnis.
Zur Indikation Kopfschmerzen bei Erwachsenen wurden zwei Guidelines/Übersichtsarbeiten inkludiert. Beide empfehlen Massage in Kombination mit Bewegung. Aus der Suche nach RCTs mit direktem Vergleich zwischen Massage und Bewegung bzw. deren Kombination resultierte keine Studie zur Indikation Kopfschmerz.
Zur Indikation chronische Nackenschmerzen wurden drei Leitlinien und ein Cochrane Review inkludiert. Eine Leitlinie empfiehlt Massage in Kombination mit Bewegung, die beiden AWMF Leitlinien und der Cochrane Review treffen negative Aussagen zu Massage oder berichten über eine nicht ausreichend wissenschaftlich belegte Wirksamkeit. Beide AWMF Leitlinien beziehen sich jeweils auf Cochrane Übersichtsarbeiten, wobei eine in diese Arbeit inkludiert ist.
Zur Indikation Juvenile Rheumatoide Arthritis wurden zwei AWMF Leitlinien gefunden, wobei eine die Wirksamkeit der Massage als nicht ausreichend wissenschaftlich belegt beschreibt und die andere eine positive Wirkung von Massage berichtet - in der zweiten Leitlinie wurden jedoch keine Referenzen zur positiven Aussage angegeben. Aus der Suche nach RCTs mit direktem Vergleich zwischen Massage und Bewegung bzw. deren Kombination resultierte keine Studie zur Indikation Juvenile Rheumatoide Arthritis.
Zur Indikation Fibromyalgie berichtet eine AWMF Leitlinie die Wirksamkeit der Massage als nicht ausreichend wissenschaftlich belegt. Aus der Suche nach RCTs mit direktem Vergleich zwischen Massage und Bewegung bzw. deren Kombination resultierte keine Studie zur Indikation Fibromyalgie.
Für sonstige Indikationen berichten zwei Leitlinien zu muskuloskeletalen Schmerzen bzw. Schmerz und Angst im Alter über eine positive Wirkung der Massage, zwei Cochrane-Übersichtsarbeiten berichten widersprüchliche oder inkonsistente Angaben zur Wirksamkeit der Massage bei Arm-, Nacken- oder Schulterschmerzen bzw. Leistenschmerz bei Sportlern. Aus der Suche nach RCTs mit direktem Vergleich zwischen Massage und Bewegung bzw. deren Kombination resultierte eine Studie zu Gonarthrose und eine zu Fersenschmerzen. Die Studie zu Gonarthrose ist aufgrund der Ungleichheit der Vergleichsgruppen vor der Behandlung nicht bewertbar, die Studie zu Fersenschmerzen findet leichte Vorteile für die Gruppe „Bewegung ohne Massage“.
Verfügbare Evidenz
Für die Behandlung von Rückenschmerzen gibt es geringe positive Evidenz für eine kurzfristige Wirkung von Massage. Für einen langfristigen Therapieerfolg wird in 8 von 9 Leitlinien die Kombination von Massage mit Bewegungstherapie empfohlen.
Für die Behandlung von chronischen Schmerzen wird in einer Leitlinie und von Kopfschmerzen in zwei Leitlinien die Kombination von Massage mit Bewegungstherapie empfohlen.
Für die anderen inkludierten Indikationen zeigen sich die Evidenz bzw. die darauf beruhenden Leitlinien-Empfehlungen inkonsistent bzw. besteht die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Studien besserer Qualität zu anderen als den bisher verfügbaren Ergebnissen kommen.
Diskussion
Massage ist als Studien-Intervention a) selten alleinig angewendet und b) schwer zu verblinden. Von vielen Menschen wird Massage als angenehm empfunden und beinhaltet auch eine Zuwendungskomponente. Der Einsatz als alleinige Form der Krankenbehandlung bei den vorab gelisteten Indikationen ist unüblich und – nicht zuletzt aufgrund von a) und b) – nicht mit Evidenz zur Wirksamkeit unterlegt. Vor allem für einen langfristigen Therapieerfolg wird bei Rückenschmerzen, chronischen Spannungskopfschmerzen und auch chronischen unspezifischen Schmerzen die Kombination mit Bewegungstherapie empfohlen.
Für ein generelles Leistungsangebot ohne Einschränkung auf bestimmte Indikationen ist nach derzeitiger Evidenzlage davon auszugehen, dass Massage als Krankenbehandlung in Kombination mit Bewegungstherapie eine bessere Wirksamkeit erzielen kann, als ohne Bewegung.